Zwischen Regeln und Augenmass – warum Gestaltung mehr braucht als Lehrbuchwissen
In den letzten Wochen sind uns auf Social Media immer wieder Beiträge über Design-Regeln begegnet – klare Do’s und Don’ts, die Orientierung geben und in fast jedem Lehrbuch der visuellen Kommunikation stehen. Wir schätzen diese Grundsätze sehr (zumindest meistens) und arbeiten selbst oft danach.
Und doch gibt es eine «Regel», die uns bei studio elan immer wieder begleitet. Ein Satz des Schweizer Grafikers Walter F. Haettenschweiler:
«Mängisch muesches oh eifach tschegge mit de Auge.»
(Manchmal musst du es einfach überprüfen mit den Augen.)
Dieser bodenständige Gedanke inspiriert uns, weil er so einfach klingt – und doch so viel Tiefe hat. Regeln helfen, aber am Ende entscheidet die Wahrnehmung. Ein gutes Design fühlt man. Es entsteht nicht nur im Kopf, sondern im Zusammenspiel von Erfahrung, Intuition und einem geschulten Blick.
Denn ja: Alle Regeln korrekt anwenden kann heute auch ein KI-Tool. Aber das Wesentliche bleibt der menschliche Massstab – unsere Wahrnehmung. Und manchmal bedeutet das auch, Regeln bewusst zu brechen.
Die Herausforderung dabei: Das Auge muss trainiert werden. Wahrnehmung ist nicht gleich Meinung. Sie kann leicht durch persönliche Vorlieben getrübt sein. Deshalb ist «Gefällt mir nicht» nie ein Argument, das trägt. Dahinter steckt oft mehr – Proportion, Rhythmus, Kontrast oder die Wirkung im Raum. Genau diese feinen Unterschiede gilt es zu sehen, zu benennen und ins Design zu übersetzen.
Für uns heisst das: Wir wollen nicht nur Regeln befolgen, sondern mit Augenmass gestalten. Frisch, spürbar und immer wieder neu.